Statusmeldung

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Selbstverwaltungsrecht der Kirchen

Selbstverwaltungsrecht der Kirchen

Art. 140 Grundgesetz (GG) in Verb. mit Art. 137 Abs. 2 Satz 1 WV (Weimarer Verfassung) geben den Kirchen das Recht, ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu regeln.

Aktuell (2016) gibt es zwei Anfragen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) beim Europäischen Gerichtshof zum Thema Selbstverwaltungsrecht der Kirchen:

  • Religionszugehörigkeit als berufliche Anforderung

Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 17.3.2016 - 8 AZR 501/14 (A) zur Vorlage an den Eu-ropäischen Gerichtshof (EuGH)

Fall Projektleitung

Ein Werk der Evangelischen Kirche schreibt die Stelle einer ReferentIn aus für das Projekt „Parallelberichterstattung zur Antirassismus-Konvention“ und fordert die Zugehörigkeit zur evangelischen Kirche bzw. einer Kirche, die der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) angehört. Die BewerberIn kommt in die engere Auswahl, obwohl sie konfessionslos ist; sie wird nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen.

§ 9 Abs. 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist einer Richtlinie der Europäischen Union (Art. 4 der Richtlinie 2000/78/EG) nachgebildet, aber nicht mit ihr identisch:
Der Richtlinienartikel spricht davon, dass die Religionszugehörigkeit gefordert werden kann, wenn nach Art der Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung angesichts des Ethos der Organisation die Religion der MitarbeiterIn unabdingbar ist. In § 9 Abs. 1 AGG ist es u.a. erlaubt, allein aufgrund des kirchlichen Selbstverwaltungsrechts die Religionszugehörigkeit der MitarbeiterIn einzufordern.

Das BAG hat nun dem EuGH die Frage vorgelegt, ob § 9 Abs. 1 AGG die europäischen Vorgaben zu-treffend umgesetzt hat oder ob er europäischem Recht widerspricht.

  • Fall katholischer Chefarzt

Beschluss des BAG vom 28.07.2016 - 2 AZR 746/14 (A) zur Vorlage an den EuGH

Der Chefarzt eines katholischen Krankenhauses lässt sich scheiden und heiratet erneut. Die Klinik kündigt daraufhin, da wegen des Eingehens einer ungültigen Ehe ein schwerwiegender Loyalitätsverstoß vorliege.

Bei Chefärzten, die einer anderen (z.B. der evangelischen) oder keiner Kirche angehören, liegt kein Loyalitätsverstoß vor.
Der Chefarzt unterlag zunächst vor dem BAG, da das BAG die Wirksamkeit der Kündigung auf das Selbstverwaltungsrecht der Kirche stützte. Der Chefarzt klagte vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Dieses hob das Urteil des BAG auf und verwies die Sache zur Neuverhandlung an das BAG zurück. Es begründete seine Entscheidung damit, dass das BAG die Rechte des Arbeitnehmers (z.B. Persönlichkeitsrechte) und die allgemeinen arbeitsrechtlichen Bestimmungen (z.B. AGG) zu berücksichtigen und gegen das Selbstverwaltungsrecht der Kirche abzuwägen habe.

Das BAG hat seine nun anstehende Entscheidung zurückgestellt und dem EuGH die Frage vorgelegt, ob kirchliche Arbeitgeber bei MitarbeiterInnen in leitender Stellung danach unterscheiden dürfen, ob sie der katholischen Kirche, einer anderen Kirche oder keiner Kirche angehören. Letztendlich steht wieder in Frage, ob § 9 Abs. 1 AGG die europäischen Vorgaben zutreffend umgesetzt hat oder nicht.